Bedeutung und Funktion von Votivgaben
Frömmigkeit des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit zeichnete sich unter anderem durch das „Verlangen nach konkreter Hilfe“ aus. Der Ausdruck „Votiv“ stammt aus dem Lateinischen und nimmt Bezug auf den Ausdruck „ex voto“ (deutsch: „aus einem Gelübde“) und deutet auf die Stiftung einer Votivgabe aufgrund eines zuvor gegebenen Versprechens hin.
Votivgaben sind Gaben, die als Dank für Hilfe in einer Notlage fungieren. Durch diese Spende bedanken sich Gläubige für den guten Ausgang einer Sache nach vorheriger Bitte an Gott oder Heilige. Sie führen den guten Ausgang im Nachhinein auf göttliche Hilfe zurück. Bedeutend ist dabei, dass Votivgaben nicht den Wunsch eines Anliegens zum Ausdruck brachten, sondern den Dank nach der Erfüllung eines Gebetes oder Gelübdes ausdrückten.
Materiell handelte es sich neben Geldgeschenken vorwiegend um Gaben aus Holz, Flachs (Leinen) und Wachs, die besonders spezifisch für die mittelalterliche Frömmigkeitspraxis waren. Etwas Besonderes waren in Silber gestochene Darstellungen, die häufig individuell für die Auftraggeber:innen hergestellt wurden. Sie zeigen neben einseitiger Gravierung meist Abbildungen der verehrten Heiligen oder der zu schützenden Objekte.
Anlässlich der Katharinenprozession am Sonntag nach Jacobi wurde das mitgeführte Katharinenbildnis, eine Skulptur aus Holz, zusätzlich acht Tage zur Verehrung ausgestellt. Die Gläubigen konnten dann während dieser Zeit ihre Dankesgaben bei der Figur ablegen. Eine schriftliche Überlieferung zu diesen Gaben geht aus einem Schiedsspruch zwischen dem Ascheberg Pfarrer Johann Fabri von Werne und Rat- und Kirchspielsleuten von 1483 hervor, in dem über die Verteilung der dargebrachten Gaben, insbesondere von Wachs und Flachsentschieden wurde. Diese Wachsdarstellungen, die primär aus dem Mittelalter bekannt sind, sind selten erhalten geblieben, da sie eingeschmolzen wurden, um als Kerzenwachs verwendet zu werden. Der Schiedsspruch besagt, dass alle Gaben gesammelt und dann unter Pastor und Ratsleuten nach einem vereinbarten Schlüssel zu verteilen sind – z.B. soll das Wachs zu Ehren Gottes und der Heiligen Katharina verwendet werden und der Flachs den Lichtern in der Kirche dienen.
Die Tradition, der Heiligen Katharina Gaben darzubringen, hat sich bis in das 19. Jahrhundert gehalten, was im 18. und 19. Jahrhundert gestiftete und teilweise bis heute erhaltene silberne Votivgaben zeigen. Abgebildet sind neben Darstellungen der Heiligen Katharina von Alexandrien auch diverse menschliche Körperteile. Silberkreuze veranschaulichen das Leiden Jesu Christi. Sie verfügen über eine Öse, mittels derer die Gläubigen das Kreuz an ihrer Kleidung befestigen konnten, um es während der Prozession bei sich tragen zu können. Erst danach wurde das Kreuz als gesegnete Gabe gespendet. Ebenso lassen sich Votivgaben finden, die Abbildungen von Tieren zeigen, was sich mit dem erhofften Schutz vor Viehseuchen in Verbindung bringen lässt. Die hochwertigeren Votivgaben wurden meist für die Gläubigen individuell erstellt, konnten aber auch als weniger wertvolle und seriell hergestellte Dankesgabe aus Wachs in einem Kram- und Devotionalienladen bei der Kirche käuflich erworben werden, was vor allem Gläubigen aus ärmlicheren Verhältnissen die Möglichkeit der Spende einer Votivgabe ermöglichte. Von den in Ascheberg verwahrten Votivgaben zeigen 27 die Heilige Katharina, 334 sind Kreuze, 30 Darstellungen bilden Körperteile ab und von diesen wiederum sind 27 Abbildungen von Füßen und Beinen.
Literatur
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Heilige Katharina
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