Die kunsthistorische Einordnung der barocken und neugotischen Kanzel

Die Kanzel war der „Ort der Predigt“. In Ascheberg können links vom Chor, dem Raum um den Altar herum, Reste einer barocken und einer neugotischen Kanzel entdeckt werden. Wozu gehören die Reste, die an der Wand angebracht sind? Wie haben die Kanzeln ausgesehen und wo waren sie im Kirchenraum platziert?

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Die kunsthistorische Einordnung der barocken und neugotischen Kanzel

Die Kanzel ist eine Erfindung der Bettelorden des 13. Jahrhunderts. Im Zusammenhang mit den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) wurde festgelegt, dass nunmehr von einem feststehenden Ambo aus die Verkündigung des Wortes Gottes erfolgen sollte. Der Ambo sollte so platziert werden, dass die Prediger von allen Gläubigen gut gesehen und gehört werden können. Diese Bestimmung ist unter anderem ein Grund dafür, dass die Kanzel durch die Liturgiereform ihre Bedeutung verlor und aus vielen Kirchen entfernt wurde.
In der Pfarrkirche St. Lambertus Ascheberg gibt es Überlieferungen, die von zwei Kanzeln, einer barocken (1740-1898) und einer neugotischen (1898-1971), berichten. Beide Kanzeln waren jeweils am ersten Pfeiler rechts des Kirchenschiffes vor dem Chor angebracht. Reste beider Kanzeln sind noch vorhanden. Links neben dem Chorraum sind die vier Apostel der barocken Kanzel zu sehen. Sie sind links und rechts neben einem Wegekreuz angebracht. Ebenfalls links neben dem Chorraum an der Nordseite sind die vier Reliefdarstellungen sowie drei der fünf Heiligenfiguren der früheren neugotischen Kanzel vorzufinden.

Beschreibung und Kunstgeschichte der barocken Kanzel

Leider gibt es keine genauen historischen Dokumente, die die barocke Kanzel beschreiben. Jedoch kann mithilfe einer Fotoaufnahme aus dem Jahr 1891 das Aussehen der Kanzel rekonstruiert werden.
Es handelte sich um einen vieleckigen Korpus, der mit einem Schalldeckel bedeckt war. Auf diesem befand sich eine Darstellung der Heiligen Katharina von Alexandria. Die weibliche Figur ist gekrönt und hält in der rechten Hand ein Schwert, das auf dem Boden abgestellt ist. An ihrem linken Bein steht ein gebrochenes Rad. Die Bekrönung, das Schwert und das Rad sind bekannte Attribute, mit denen die Figur als Heilige Katharina identifiziert werden kann. Die vier Seiten des Korpus zeigen vier Apostel in Halbfiguren. Alle Apostel tragen ein Buch in ihren Händen. Das Buch wird kunsthistorisch als Symbol für eine Darstellung der Apostel verstanden.
Die barocke Kanzel stammt aus dem Jahr 1740 und wurde in der Werkstatt des Münsteraner Meisters Johann Heinrich König erbaut. Sie ist aus Holz und wurde an der ersten rechten Säule des Kirchenschiffs vor dem Chor angebracht.

Beschreibung und Kunstgeschichte der neugotischen Kanzel

Die neugotische Kanzel von 1898 wurde aus Holz gefertigt und hat einen vieleckigen Korpus, der mit einem Schalldeckel bedeckt ist. Anders als bei der barocken Kanzel ist der Schalldeckel der neugotischen Kanzel nicht mit einer Figur geschmückt. Bei den fünf dargestellten Figuren handelt es sich um Jesus Christus und die vier Evangelisten. Die Evangelisten sind durch die unter den Figuren dargestellten Attribute eindeutig zu unterscheiden. Beginnt die Betrachtung der Kanzel ab dem Treppenaufgang, zeigte die erste Figur den Evangelisten Johannes. Die folgenden Symbole machen es möglich, die Figur als den Evangelisten Johannes zu identifizieren: Er trägt in der rechten Hand ein Schreibgerät, hält in der linken Hand ein Buch und unter der Figurendarstellung ist ein Adler abgebildet. Neben dem Evangelisten Johannes folgt die szenische Darstellung der Seepredigt, in der Jesus in Gleichnissen zu den Menschen spricht (vgl. Mt 13). Ein Gleichnis ist eine Erzählung, in der ein Thema bildhaft dargestellt wird. Jesus befindet sich auf einem Schiff, das auf einen See als Ort der Predigt hinweist. Die rhetorische Gestik seiner rechten Hand zeigt, wie er die Menschen lehrt. Es folgt die Darstellung des Evangelisten Lukas, worauf das Buch in der rechten Hand sowie der geflügelte Stier unter der Figur schließen lasst. Zwischen dem Evangelisten Lukas und der Christusdarstellung ist die Darstellung der Bergpredigt aus dem Matthäusevangelium zu erkennen (vgl. Mt 5,1-48). Der Berg im Hintergrund lässt auf den Ort der Bibelszene schließen. Die Anwesenheit der Jünger sowie Jesu rhetorische Gestik weisen auf lehrende Worte hin. Die sich daneben befindende Figur Christi trägt in der rechten Hand eine Kugel mit Kreuz als Reichsapfel. Unter ihm ist ein Engel mit Flügeln dargestellt. Damit wird die Nähe Jesu Christi zu Gott, seinem Vater, sowie seine Existenz außerhalb der irdischen Welt verdeutlicht. Auf der rechten Seite Jesu ist die Taufe Widukinds, eines sächsischen Heeresführers, der 787 zum christlichen Glauben übertrat, zu sehen. Es folgt die figürliche Darstellung eines Evangelisten, der ebenfalls ein aufgeschlagenes Buch in den Händen hält. Der Löwe unterhalb der Figur lässt ihn als Evangelisten Markus erkennen. Die dargestellte Szene neben der Figur des Evangelisten Markus zeigt die Ermordung des Heiligen Bonifatius, der während einer Firmspendung erschlagen wurde. Die letzte Figur zeigt den Evangelisten Matthäus, der mithilfe des darunter dargestellten Engels identifiziert werden kann.
Der Korpus dieser neugotischen Kanzel wurde zu Pfingsten 1898 von den Aschebergern Schreinermeistern Hermann und Heinrich Siebeneck gebaut. Das Bildprogramm, welches aus fünf Figuren und vier szenischen Darstellungen bestand, stammt von dem Bildhauer Anton Rüller, einem gebürtigen Ascheberger. Die neugotische Kanzel wurde 1971 abgebaut und seine Funktion auf den Ambo, ein Lesepult, übertragen. Der Ambo dient bis heute als Verkündigungsort.

Literatur

Angenendt, Arnold, Art. Bonifatius, in: LThK Bd.2 (1994), 575-577.

Assion, Peter, Art. Katharina (Aikaterine) von Alexandrien, in: LCI Bd.7 (1974), 289-297.

Fillitz, Hermann, Art. Reichsinsignien und Reichskleinodien. II. Symbolisches und Ikonographisches, in: LCI Bd.3 (1971), 531-533.

Gerhards, Albert, Wo Gott und Welt sich begegnen. Kirchenräume verstehen, Kevelaer 2011, S.125-130.

Lechner, Gregor Martin, Art. Johannes der Evangelist, in: LCI Bd.7 (1974), 107-130.

Lechner, Gregor Martin, Art. Lukas, in: LCI Bd.7 (1974), 448-464.

Lechner, Gregor Martin, Art. Markus, in: LCI Bd.7 (1974), 549-562.

Lechner, Gregor Martin, Art. Matthäus, in: LCI Bd.7 (1974), 588-601.

Müller, Helmut, Ascheberg. Geschichte eines münsterländischen Ortes von den Anfängen bis zur kommunalen Neuordnung 1975, Münster 1978, 225-226.

Myslivec, Josef, Art. Apostel, in: LCI Bd.1 (1968), 150-173.

Poscharsky, Peter, Art. Kanzel, in: TRE Bd.17 (1988), 599-604.

Schütte, Reinhard, Die Kirche von Ascheberg im 19. und 20. Jahrhundert. Ein Überblick, in: Katholische Pfarrgmeinde St. Lambertus Ascheberg (Hrsg.), 450 Jahre St. Lambertus Ascheberg, Münster 1974, 29-39.

Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Die Messfeier – Dokumentensammlung. Auswahl für die Praxis (Die deutschen Bischöfe – Arbeitshilfen 77), Bonn 2015.

Kanzel

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