Eine Kanzel in Ascheberg?

Im Kirchenraum der Ascheberger St. Lambertus Kirche war lange Zeit eine Kanzel zu finden. Sie gibt es heute nicht mehr. Was ist eigentlich eine Kanzel? Eine Kanzel ist das Lesepult eines Priesters. Heute finden sich nur noch vereinzelt Kanzeln in christlichen Kirchen. Wieso? Warum wird heute am Ambo, einem freistehenden Lesepult, gesprochen?

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Die Kanzel

von Bericht eines Pfarrers (1971) | Sprecher: Stefan Schürmeyer

Bericht eines Pfarrers Mitte des 20. Jahrhunderts (1971)

Die letzten Jahre brachten für uns Priester viele Umbrüche mit sich – es hat sich viel verändert. In Rom wurden auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil viele Neuerungen entschieden. Für mich, der seit einigen Jahren Pfarrer in Ascheberg ist, gilt es, sie umzusetzen.

So haben wir vor kurzem die Kanzel aus unserer Kirche entfernt. Es war eine schöne Kanzel – neugotisch. Ein Ascheberger Schreiner namens Siebeneck hatte sie 1899 gebaut und ein Bildhauer Rüller, der gebürtig aus Ascheberg stammte, hat sie dann detailreich ausgestaltet. Sie war ein echter Hingucker!  Aber der Abbau war eben nötig, immerhin wurde die Kanzelpredigt abgeschafft.

Diese Änderung war eine wirkliche Umstellung. Vorher habe ich die Heilige Schrift und meine Predigten von der Kanzel aus gesprochen. Die Kanzel befand sich an dem ersten rechten Pfeiler des Kirchenschiffs vor dem Chor, dem Bereich um den Altar. Die Kanzel selbst war erhöht angebracht, sodass ich einige Treppenstufen hochsteigen musste.

Ich hatte also immer von der Kanzel aus gepredigt und den Gläubigen das Evangelium gelehrt. Problem der Kanzel war, dass ich nicht von allen Gläubigen gut verstanden und gesehen wurde. Besonders die Gläubigen in den ersten Reihen und die in den Seitenschiffen mussten sich drehen oder gar verrenken, um mich sehen und hören zu können.

Seit den neuen Vorgaben aus Rom jedoch halte ich die Predigt nur noch am Ambo. Ein Ambo ist ein Lesepult, das, anders als die Kanzel, vorne im Chorraum steht. Das hat nun wirklich einen entscheidenden Vorteil: Ich kann jetzt nahezu alle Gläubigen sehen. Ich genieße es, mit fast alles Gläubigen Blickkontakt aufnehmen zu können. Dabei habe ich das Gefühl, wirklich alle mit meinen Worten zu erreichen.

Das gilt auch für die Feier der Heiligen Messe. In Rom hatten sie beschlossen, dass die Gläubigen die Gottesdienste nicht als Außenstehende erleben sollen. Deshalb wurden die Altäre in der Kirche auf einen Hochaltar und einen freistehenden Altar reduziert. Im Hochaltar wird die Hostie aufbewahrt, an dem freistehenden Altar zelebriere ich die Heilige Messe. Früher gab es auch noch Seitenaltäre, also weitere Altäre an anderen Stellen in der Kirche. Es war eben Bestimmung, dass alle Priester einer Gemeinde jeden Tag eine Messe lesen sollten, sodass in vielen Gemeinden mehrere Altäre nötig waren. Nunja, dann kam nach dem Beschluss des Konzils die Reduzierung der Altäre, aber auch die Möglichkeit der Konzelebration. Bei der Konzelebration feiert ein Hauptzelebrant gemeinsam mit weiteren Priestern die Heilige Messe. Verständlich, dass zusätzliche Altäre dann überflüssig waren. Ich kenne aber noch einige Kirchen, die ihre Seitenaltäre erhalten haben.

Aber die größte Umstellung war meine Blickrichtung während des Gottesdienstes. Früher hielten meine Priesterkollegen und ich einen großen Teil der Messe in Blickrichtung zum Altar. Unser Rücken war den Gläubigen zugewandt. Viele Gläubige hatten sich aber gewünscht, das Gottesdienstgeschehen besser verfolgen und daran teilhaben zu können. Deshalb haben wir die Blickrichtung zu den Gläubigen hin verändert. Und in dem Zuge sind freistehende Altäre wirklich eine tolle Sache. Vorgeschrieben wurde uns die Änderung der Blickrichtung nicht, aber ich finde es sehr inspirierend und bereichernd, den Gläubigen von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Gleich bei der ersten Messe mit dem Blick zu den Gläubigen merkte ich, dass sie besonders die Eucharistiefeier intensiver als früher erlebten.

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Die kunsthistorische Einordnung der barocken und neugotischen Kanzel

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