Die Reformen der Liturgie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil
Die Ausstattung der Pfarrkirche wurde über die Jahrhunderte oft verändert. So schlicht ausgestattet, wie wir die Kirche heute kennen, war sie nicht immer. Zu früheren Zeiten waren hier unter anderem weitere Altäre und eine Kanzel aufgestellt. Ein erheblicher Grund dafür, dass der Kirchenraum jetzt schlichter gestaltet ist, ist die sogenannte Liturgiereform. Was ist Liturgie und was beinhaltet die Liturgiereform?
Der Begriff Liturgie stammt aus dem Griechischen und ist eine Zusammensetzung aus den griechischen Begriffen „Volk“ und „Dienst“. Liturgie bedeutet „Dienst des Volkes“. Der Dienst meint die gesamten gottesdienstlichen Riten wie das Gebet, den Gottesdienst und auch den Gesang.
Die sogenannte Liturgiereform ist die Erneuerung dieser religiösen Riten. Die Reformen begannen Anfang des 18. Jahrhunderts und hatten ihren Höhepunkt nach dem Zweiten Vatikanischen Konzils, das von 1962-1965 stattfand. Im Zweiten Vatikanischen Konzil trafen sich der Papst, Kardinäle, Bischöfe und weitere Theologen, um über eine Kirchenreform zu sprechen.
Diese Neuerungen betrafen auch die Liturgie: Religiöse Ausstattungsgegenstände wurden aus den Kirchen entfernt, umgestellt oder nicht mehr verwendet. Eine ganz bedeutsame Erneuerung war die Position und Blickrichtung des zelebrierenden Priesters, wodurch sich auch die Stellung des Altars veränderte. Die Konstitution Sacrosanctum Concilium, eine Art Bestimmung, die auf dem Konzil beschlossen wurde, weist auf den Wunsch der Gläubigen hin, die Feier des Gottesdienstes besser verstehen und mitfeiern zu wollen (vgl. SC 48). Die gemeinsame Feier der Eucharistie soll im Vordergrund stehen. Diesem Wunsch wurde mithilfe verschiedener Neuerungen nachgegangen. Die Zelebration des Priesters findet jetzt versus populum, das heißt gegenüber dem Volk, statt. Der Priester feiert den Gottesdienst mit Blick auf die Gläubigen und nicht wie zuvor mit dem Rücken zu den Gläubigen sowie dem Blick zum Hochaltar. Diese Änderung der Blickrichtung war keine vorgeschriebene Neuerung vom Konzil, wurde aber in den einzelnen Gemeinden weitestgehend eingeführt. Wenn der Priester nicht mehr mit dem Rücken zu den Gläubigen zelebriert, kann er auch nicht mehr zum Hochaltar beten, der an der Wand angebracht ist. Daher bedurfte es der Errichtung eines freistehenden Tischaltars, wie wir es heute kennen. Diese Altäre werden häufig auch „Volksaltar“ genannt.
Die Gläubigen in den Gottesdienst einzubeziehen, betraf auch die Verkündigung des Wortes Gottes. Früher hielt der Priester während der Heiligen Messe die Predigt von der Kanzel aus.
Im Konzil wurde nun festgelegt, dass ein feststehender Ambo als Ort der Verkündigung des Wortes Gottes dienen soll. Dieser sollte so platziert werden, dass die Vortragenden von den Gläubigen gut gehört werden können. Die Kanzeln waren meist im mittleren Kirchenschiff angebracht – daher konnten einige Gläubige die Sprechenden nicht sehen oder schlecht verstehen. Diese Bestimmung, die gottesdienstlichen Feiern auf die Gläubigen auszurichten, war daher auch ein Grund, die Kanzel aus vielen Kirchen zu entfernen. Seitdem werden am Ambo unter anderem Lesungen, Fürbitten und auch die Predigt vorgetragen.
Gleichzeitig sollte die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf die Zelebration an einem Altar gerichtet werden. Das bedeutete jedoch, dass eine liturgische Nutzung von Seitenaltären nicht mehr notwendig war. Seitenaltäre, die heute noch in einigen Kirchen vorzufinden sind, waren meist in Gedenken an Märtyrer errichtet worden. Die frühere Notwendigkeit von Seitenaltären resultierte unter anderem aus der Bestimmung, dass jeder Priester einer Gemeinde am Tag eine Messe lesen müsse. Daher waren oft mehrere Altäre notwendig, an denen diesem täglichen Dienst nachgegangen werden konnte. Diese Seitenaltäre befanden sich meist in den Seitenschiffen. Sie wurden vor allem aus zwei Gründen entfernt: Zum einen kann die Feier von gottesdienstlichen Riten an den Seitenaltären von dem Gottesdienst im Chor ablenken. Vor allem aber wurde auf dem Konzil die Konzelebration, das heißt die Feier der Eucharistiefeier mit mehreren Priestern an einem Altar, eingeführt – damit können die Priester ihrem täglichen Dienst, die heilige Messe zu feiern, gemeinsam nachgehen.
Allein diese Auswahl der Neuerungen der Liturgiereform zeigt, dass bereits durch die Änderung der Kirchenausstattung die Raum- und Gottesdiensterfahrung von Gläubigen beeinflusst und gestaltet werden kann.
Literatur
GERHARDS, Albert, Wo Gott und Welt sich begegnen. Kirchenräume verstehen, Kevelaer 2011, 137.
GERHARDS, Albert, Kirchenraum, in: MEYER-BLANCK, Michael / FÜRST, Walter (Hrsg.), Typisch katholisch. Typisch evangelisch. Ein Leitfaden für die Ökumene im Alltag, Rheinbach 2003, 167-177.
RUPP, Helmut (Hrsg.), Handbuch der Kirchenpädagogik. Kirchenräume wahrnehmen, deuten und erschließen, Stuttgart 32016, S.133-138.
SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (Hrsg.), Leitlinien für den Bau und die Ausgestaltung von gottesdienstlichen Räumen, 25.Oktober 1988 (Die deutschen Bischöfe – Liturgiekommission 9), Bonn 62012, 24.
Kanzel
Die Kunsthistorische Einordnung der barocken und neugotischen Kanzel
Bedeutung und Impuls zum Wort Gottes
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